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martes, 30. abril 2024
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Marlene Fuentes – Gastronomin

«Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen»

Im Jahr 2003 eröffneten Germán Kleinknecht und Marlene Fuentes an der Schnellstraβe 68 in der Nähe von Curacaví das Restaurant «Tante Marlene» mit einer Mischung aus süddeutschen Familienrezepten und lokalen Spezialitäten. Nach mittlerweile fast 20 Jahren hat die Gaststätte heute in Santiago viele Stammgäste, auch Dank Marlenes Durchhaltevermögens – gemäβ ihrem Leitspruch «Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen.» 

Sieben Tage in der Woche steht sie in der Küche ihres Restaurants «Tante Marlene» und kocht: Eisbein, Gulasch, Sauerbraten, Spätzle, Bratkartoffeln, Rotkohl, Zwiebelkuchen und andere typisch deutsche Gerichte munden den Gästen, viele davon seit Jahren Stammpublikum der Gaststätte. Dabei hat sie keine Ausbildung als Köchin absolviert – sie lernte Computerprogrammierung und zweisprachiges Sekretariat, arbeitete unter anderem beim Verlag Planeta und später bei einer Zollagentur. 

Allerdings betrieb ihre Mutter in Curacaví, wo Marlene mit ihren vier Schwestern und einem Bruder aufwuchs, die Gaststätte «Los Troncos». Und hier begann alles mit einem Gast, der fragte, ob er das Telefon des Lokals benutzen dürfe. Er hieβ Germán Kleinknecht. «Wir verliebten uns auf den ersten Blick. Trotz des großen Altersunterschiedes – oder gerade deshalb – haben wir uns wunderbar ergänzt. Wir hatten immer das Gefühl, uns aus einem anderen Leben zu kennen», sagt sie. 

Seine Groβeltern waren aus Marbach / Ulm nach Chile eingewandert. Hier noch eine interessante Information dazu: 1887 wurde die Deutsche Schule in Temuco gegründet, hauptsächlich von Immigranten aus Deutschland. Einer der Gründer und der erste Schulleiter war Albert Kleinknecht, Germáns Großvater. Da es ihm an Utensilien mangelte, benutzte er den Lehmboden als Tafel und stellte eine cremige Substanz her, welche die Kreide ersetzte. Später heiratete er in Los Angeles eine junge Frau mit dem Nachnamen Widmer, mit der er zwei Kinder hatte. Als er Witwer wurde, heiratete er eine Deutsche, die drei weitere Kinder bekam: den Vater Germáns mit demselben Namen und zwei Schwestern. So kam der Familienname Kleinknecht nach Chile.

Als der kleine Germán im Alter von acht Jahren seine Mutter verloren hatte, begann er, für seinen Vater zu kochen – mit dem Kochbuch «La Buena Mesa» von Olga Budge de Edwards. 

Im Jahr 2003 eröffneten Germán und Marlene an der Schnellstraβe 68 in der Nähe von Curacaví das «Tante Marlene» mit einer Mischung aus süddeutschen Familienrezepten und lokalen Spezialitäten. Ein zusätzlicher Anziehungspunkt waren hier die Volieren mit exotischen Vögeln, an die sich der eine oder andere Leser sicher noch erinnert. Nach dem Ausbau der Autobahn zog das Restaurant im Jahr 2006 nach Santiago in die Straβe Miguel Claro. «Wir hatten eigentlich noch gar nicht geöffnet, aber die Gäste klopften schon an die Tür», erinnert sich Marlene. Die talentierte Hand des Küchenchefs und seiner Frau, die Frische und Qualität der Produkte und die gemütliche Atmosphäre hatten sich herumgesprochen. Bald wurde das alte Haus aus den 60er Jahren zu klein. Ein erneuter Umzug stand an, diesmal nach Vitacura. Dabei half Schwager Fritz aus Bayern, der «frischen Wind» ins Geschäft brachte. «Nach drei Jahren entschieden wir uns zu einem weiteren Wechsel. Wir wollten ein informelleres Lokal, sozusagen einen ‚Deutschen ohne Krawatte‘. Auch das gastronomische Angebot wurde aktualisiert und mit zentraleuropäischen Rezepten vervollständigt, wie etwa das elsässische Sauerkraut. So landeten wir an unserem jetzigen Standort in Vitacura mit Los Abedules.» Das Restaurant trug hier zunächst den Namen «Biergeist».

Ende des Jahres 2016 verstarb Germán an Gallenkrebs. Marlene reiste nach Deutschland, um bei der Familie ihres Mannes Halt und Trost zu finden. Hier entschloss sie sich, das Restaurant alleine weiterzuführen und zum alten Namen «Tante Marlene» zurückzukehren, «da unser Wert in der Tradition und dem Lernen über die Jahre liegt».

Mit Hilfe eines Groβneffens aus Valdivia und mit der Unterstützung von guten Freunden – wie etwa Wolf von Appen, der, so Marlene, maβgeblich dazu beigetragen hat, dass Germán in Frieden gehen konnte – gelang ihr der Neuanfang. Um ihren Kummer zu überwinden, stürzte sie sich in die Arbeit und war seither sieben Tage in der Woche von früh bis spät auf den Beinen. Erst seit Januar diesen Jahres bleibt das «Tante Marlene» montags geschlossen. «Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen», ist ihr Lebensmotto. So auch als die Pandemie begann, die Gaststätten schlieβen mussten und sie das Restaurant auf Lieferservice umstellte. Seit zwei Jahren haben hier übrigens Schüler von technischen Berufsschulen die Möglichkeit, ihr Praktikum zu machen. Damit möchte Marlene zu deren zukünftigen Entwicklungschancen beitragen. 

Vielleicht kann Marlene Fuentes jetzt etwas mehr Zeit für ihre Hobbies finden: Sie reitet gern (ihr Vater war Pferdezüchter), malt und macht Handarbeiten, liebt die Oper und dekoriert Innenräume. Vielleicht besucht sie nun auch öfter ihre Eltern, die auf dem Land bei Talca leben. Ganz bestimmt fährt sie aber weiterhin regelmäβig nach Quintay, wo Germán Kleinknecht seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Und dann hat sie vor, ein Buch über ihren Mann zu schreiben, der ihr immer Lehrer und Vorbild war. Obwohl dieser schon vor Jahren gesagt hatte: «Die Schülerin hat den Lehrer überholt.»

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